Kurzbeschreibung der Rummeln
Zu den eigenartigsten Erscheinungen des Fläming-Gebiets gehören die Rummeln.
Diese Bezeichnung, die wahrscheinlich aus dem Niederdeutschen, wenn nicht gar aus dem Niederländischen stammt,
woher sie ja durch die Kolonisten des 12. Jahrhunderts hat mitgebracht werden können, ist erst
frühneuhochdeutsch bei den Schriftstellern belegt.
Name
Das Zeitwort "rummeln" bedeutet lärmen, Getöse machen, oder auch, sich mit
Geräusch bewegen, poltern. In dieser Bedeutung hat man das Wort wohl zunächst auf das brausende und
tosende Verhalten des Wassers in den Trockentälern de Flämings angewandt.
Die Redensart
"das Wasser rummelt" ist übrigens heute noch in verschiedenen Gegenden des Flämings gebräuchlich.
Vom Zeitwort "rummeln" ist die Bedeutung des Dingworts "Rummel", das sonst Lärm, Getöse schlechthin
ausdrückt oder eine Bezeichnungsweise für eine wirre Unordnung darstellt, im Fläming auf den Ort
dieses Lärmens verschoben worden - ein Vorgang, der sich auch bei einer ganzen Reihe anderer Wörter
nachweisen lässt.
Landschaftsbeschreibung
Den ersten typischen Vertreter der
Rummeln finden wir zwischen Lobbese und Garrey. Die ganze Gegend zeigt hier einen energisch bewegten Charakter.
Bedeutendere Hügel und tiefe Talmulden wechseln rasch miteinander ab. Nach allen Richtungen sind die
Erhebungen von größeren und kleineren meist trockenen Zerreißungsfurchen durchzogen.
Auf den Feldern lässt der Bauer diese Stellen ungeackert, über die das Wasser seinen Weg nimmt,
um zu verhindern, dass der kulturfähige Boden mit fortgeschwemmt wird. Die Lehne der Talmulden sind
häufig mit dichtem Flechtwerk versehen, um die Gewalt des herunterstürzenden Wassers zu brechen.
In dieser Gegend, wo fast jedes Jahr das Wasser kleinere Veränderungen in dem lockeren Glazialboden
erzeugt, beginnt in einiger Entfernung südlich von dem Wege zwischen Garrey und Lobbese die dem Stromgebiet
der Elbe angehörige Lobbeser Rummel, die zwischen Kropstädt und Marzahna in eine mächtige Talmulde
ausläuft.
Die nächste Umgebung dieser Rummel kündigt sich schon aus der Ferne durch die Unterbrechung der
Kulturlandschaft an. Als Rest des Pflanzenwuchs erblickt man das genügsame Heidekraut, und auch dieses
verschwindet von den Abhängen, wo sich diese vertiefen und von rechts und links zahlreiche Seitentäler
einmünden, die meist auch wieder verästelt sind.
Der Talboden der Nebenrinnen zeigt zwar am
Beginne etwas Graswuchs, der aber auch bald, besonders schnell in der Hauptfurche, verschwindet, um einer
Geröll- und Sandschicht Platz zu machen, die nach dem Ausgange der Rummel zu an Mächtigkeit gewinnt.
Während die Talsohle horizontal gestaltet ist, sind die Gehänge außerordentlich steil
und neigen sogar stellenweise zu senkrechten Abstürzen.
Charakteristisch für die Gehänge sind die Reste früherer Talböden, die diese
terrassenförmig begleiten und besonders deutlich in tieferen Lagen ausgebildet sind, während sie
in den höheren Abschnitten naturgemäß der den lockeren Aufschüttungsboden leicht
angreifenden Zerstörung mehr und mehr anheim gefallen sind.
Gerade diese Terrassenerscheinungen, die besonders in der Lobbeser Rummel auch dem oberflächlichen
Beobachter ihr Entstehen verraten, da hier ihre jüngsten Formen neben vollständiger Horizontallage
und ziemlicher Breite noch die charakteristischen Talsande aufweisen, sind eine typische Erscheinung alter
Rummeln ebenso wie der tief eingeschnittenen Flusstäler des nördlichen Steilabfalls.
Die Garreyer Rummeln
Ein anschauliches Bild von den verschiedenen Altersstufen der Rummeln bilden die in der Nähe von Garrey
gelegenen. Hier sammeln sich alljährlich die Hochfluten, soweit zur Plane und Havel gehen - Garrey liegt
mitten auf der Wasserscheide.
Das erste von zwei Sammelbecken, der so genannte kleine Kessel, ist heute in seiner ganzen Ausbildung dem Ackerbau
dienbar gewacht. Er bildet ein weites, nach Norden geneigtes und geöffnetes Becken, dessen Wände
aber vielfach links und rechts durchbrochen sind durch einmündende, kurz nach hinten endigende
Seitentälchen, so dass das ganze einen kulissenartigen Anblick gewährt.
Man geht gewiss nicht fehl,
wenn man diesen kleinen Kessel als eine sehr alte Rummel erklärt, mit einem äußerst breiten
Haupttal, an dessen Gehängen wie auch denjenigen der Seitentäler die typischen Stufenformen im Laufe
der Zeit den einebnenden Faktoren anheim gefallen sind, wobei dieser Einebnungsprozess zuletzt sicherlich
unterstützt worden ist durch die Kulturarbeit der Menschen, die aus dem wildromantischen Ödland
fruchtbare Ackerflächen geschaffen hat.
Die Fruchtbarkeit gerade dieser Ackerflächen rührt her
von der lange liegen bleibenden Schneedecke - Schnee düngt - und der damit in Verbindung stehenden
gründlichen Befruchtung und Überrieselung im Frühjahr.
Das zweite Sammelbecken, der sogenannte große Kessel, zeigt den Rummelcharakter noch deutlich.
Er ist mit Kiefernwäldern bestanden, der die Einebnung der Terrassen verhindert hat, die daher in mehreren
Etagen übereinander gelagert und meist recht gut zu verfolgen sind.
Besonders häufig treten sie auf
am Rande des Hohlwegs in diesem Kessel, der in dessen Haupttale dahinführt und von Klein Marzehns und
Garrey nach Rädigke und Neuendorf verläuft.
Dieses rummelartige Sammelbecken der Schmelzwasserfluten
mündet schließlich in ein breites Tal aus, zu dessen Seiten sich bedeutendere, dem Ackerbau dienbar
gemachte Hügelzüge hinziehen in einer süd-nördlichen Richtung so dass man den Eindruck gewinnt,
es hier mit dem Erzeugnis einer früheren, viel mächtiger wirkenden Wasserkraft zu tun zu haben.
Die Neuendorfer Rummel
Ein weiterer, sehr charakteristischer Vertreter der Rummeln, welcher der Lobbeser Rummel aufs Haar gleicht,
aber noch großartiger, wilder und altertümlicher wirkt, ist die Neuendorfer Rummel.
Sie zeigt sehr schön auch in höheren Lagen die Terrassenbildungen.
Es erscheint nicht notwendig, auf die einzelnen Rummeln in den anderen Gebieten des Flämings einzugehen;
denn die angegebene typische Gestalt derselben kehrt überall wieder. Unterschiede finden sich nur in
ihrer Größe, ihrer Richtung und ihres Alters.
Sie gehören sowohl dem Stromgebiete der Elbe
als auch dem der Havel an. Nur sind sie im letzteren entsprechend dem Steilabfall des Flämings nach
Norden zahlreicher und großartiger.
Entstehung und derzeitiges Erscheinungsbild
Es kann ernstlich kaum bestritten werden, dass die geschilderten Trockentäler, die Rummeln,
die gleiche Entstehung haben wie die Flussrinnen des nördlichen Steilabfalls. Ein Unterschied besteht
nur darin, dass die Rummeln nur zeitweise Wasser führen, während jene Flusstäler ein dauerndes
Geriesel besitzen.
Welche Faktoren sind nun wirksam gewesen, um die beiden Erscheinungen zu erzeugen?
Tektonische (gebirgsbildende) Ursachen sind von vornherein ausgeschlossen, da bei diesen ganz unverkennbar
die Wirkung des fließenden Wassers ausgeprägt ist. Klar ist auch, dass diese abwechselnd bald in
starker, bald in abgeschwächter Form gearbeitet haben muss.
Das beweist neben der geschilderten
Terrassenbildung sogar eine Beobachtung des Geologen Keilhack ("Über die Deltabildungen"), der bei der
Beschreibung der Deltabildungen am Nordrande des Flämings zur Annahme eines Geschwindigkeitswechsels
der Schmelzwässer gezwungen ist, um die Wechsellagerung von gleichmäßig mittelkörnigen
und grob geschiebegrandigen Sanden zu erklären.
Sicher ist auch, dass diese periodische Verstärkung
der Nagekraft des Wassers ruckweise erfolgt sein muss, da einem allmählichen An- und Abschwellen
Terrassenbildung wie Wechsellagerung widersprechen. Damit schließt sich für uns wieder die Annahme
selbstständiger Gletscher auf dem Fläming aus.
Andererseits steht aber fest, dass sowohl ein großer Teil der Rummeln als auch die Flusstäler
des nördlichen Steilabfalls und deren Schotterflächen, die dazu meist unter einer Torfdecke versteckt
sind und daher wenigstens in diesen unterteuften Stellen älter als die überlagernden Moorflächen
sein müssen, solche Ausdehnungen aufweisen, dass sie sich gezwungen aus den allermodernsten
Wasserverhältnissen des Flämings erklären lassen würden.
Aus den angeführten Gründen sehen wir uns genötigt, Flusstäler wie den größten Teil
der Rummeln als altalluviale Bildungen zu erklären. (Alluvium ist die oberste, jüngste
Erdablagerungsschicht.) Es ergibt sich dabei das folgende Bild:
Schon in der Eiszeit unseres Vaterlandes, als die mächtige Eisdecke auf dem norddeutschen Tieflande lastete,
bestand unter dieser ein entwickeltes Zirkulationssystem der Schmelzwässer, deren Rinnen natürlich
durch das nachrückende Eis und die Grundmoräne ununterbrochen verändert und verlegt wurden,
die aber durchaus nicht immer die Richtung des vorbewegten Eises einschlagen mussten, sondern, entsprechend
den Hebungen und Senkungen in der Grundmoräne geradezu entgegen gesetzte Wege wählen konnten.
Als bei der Rückverlegung des Eisrandes infolge des Überwiegens von Abschmelzung und Verdunstung
über die Ergänzung der Eismassen von rückwärts dieser wohl eine etwas längere Zeit
auf der Höhe des südlichen Landrückens verweilte, da mochten Schmelzbäche in
größerer Menge nach Norden zu unter dem Eise versinken und im Verein mit ähnlichen Wässern
von Norden her die Ausbildung der Glogau-Baruther Urstromrinne vorbereiten.
In den so vorgebildeten Einschnitten
in die Moränendecke des nördlichen Steilabfalls blieben bei dem weiteren Zurückweichen
des Inlandeises vielleicht mit Schutt überlagerte Eismassen liegen. Diese schmolzen langsam ab,
wobei der Schutt nachsank, so dass die ursprünglichen talförmigen Vertiefungen wieder zur Geltung kamen,
nur dass deren Talsohle aus noch lockererem Material zusammengesetzt war als der Moränenboden.
Andere Faktoren vertieften die begonnenen Bildungen. Die Annahme ist nicht von der Hand zu weisen, dass der
Fläming vor dem alluvialen Durchbruch der Elbe bei Magdeburg öfters Überflutungen erfuhr,
wobei die Wassermassen sicher die vorgebildeten Rinnen benutzten und das Material in diesen mit
nach dem nördlichen Urstromtal nahmen.
Aber auch das Schmelzwasser des Frühjahrs und die Gewitterregen des Hochsommers mussten in einer Zeit,
in welcher die nach der Eiszeit noch nicht wieder eingewanderte Vegetation dem Boden keinen Halt geben
und dem Wasser Widerstand entgegensetzen konnte, viel mächtiger und zerstörender
eingreifen, als es heute noch geschehen kann.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der niederschlagsreichen Eiszeit eine Zeit gefolgt sein muss,
die zunächst nicht viel ärmer an Niederschlägen war. So rissen die von Zeit zu Zeit eintretenden
Hochfluten einen Talboden nach dem anderen entzwei und schafften, soweit der nördliche Steilabfall in
Frage kommt, das Material zu der Glogau-Baruther Hauptrinne, wo sie dieses wegen der Änderung des
Gefälles niedersetzen mussten.
Mit der Zeit stellten sich die heutigen Strömungsverhältnisse ein. Die verdrängte Vegetation
siedelte sich wieder an und verlieh dem Boden eine größere Festigkeit, gleichzeitig auch die
Gegensätze in den Wasserverhältnissen des Flämings mildernd.
Auch musste die Vertiefung
der Talmulden allmählich soweit fortgeschritten sein, dass die Kraft gewöhnlicher Hochfluten nicht mehr
im Stande war, die Rinnen in eine niedere Lage zu bringen und gröbere Erdmassen zu transportieren.
So erklärt es sich, dass es auch heute nur außergewöhnlichen Niederschlagsmengen gelingt, den Talboden einer Rummel zu zerreißen und gröberes Material in größeren Mengen
fortzuführen.
Quelle: Zwanglose Blätter für die Heimatkunde 1934, Herausgeber Richard Erfurth,
Druck und Verlag Fr. Wattrodt, gekürzt.
Hoch
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